Heute beantworte ich zwei Fragen zur Sichtbarkeit von Trans* in der Stadt und generell in der Gesellschaft:
1) Wie schätzt du die Sichtbarkeit von Trans*-Menschen
und ihrer Belange in der Stadt/den Städten, in denen du aktiv bist, ein? (In
„queeren“ Szenen, im Alltag, in Medien und überhaupt)
Wie auch in den Medien
(nett dazu ist auch: https://www.youtube.com/watch?v=Y37ZtwO3zBc&nohtml5=False) ist die Repräsentation von
Trans*personen und ihren Belangen in Städten gering. Die allgemein praktizierte
und normierte Zweigeschlechtlichkeit hält viele Trans*personen zu Hause, da ein
Austreten aus dem Safespace „Wohnung“ alltägliche Diskriminierung bedeutet.
Anstarren, unangenehme Fragen von Unbekannten gestellt bekommen, körperliche
Gewalt erfahren, Benachteiligung bei der Jobsuche, rechtliche Benachteiligung
und Diskriminierung sind nur einige der Dinge, welche die alltägliche
Lebenssituation von Trans*personen ausmachen. Es ist egal in welcher Stadt sich
eine Trans*person bewegt, überall dort wo Menschen in einer Gesellschaft
zusammenkommen, in der zweigeschlechtliche Normen manifestiert sind, werden
Trans*personen diskriminiert und/oder ausgestoßen. Natürlich gibt es liberalere
Städte, in denen weniger rechtspopulistische Gruppierungen bestehen, ob eine
Trans*person mehr oder weniger diskriminiert wird hängt aber von mehr Faktoren
ab, wie z. B. auch der allgemeinen öffentlichen Präsenz „queerer“ Vereine,
Gruppen usw., der kommunalen politischen Situation, der Wohnsituation, dem
sozialen Status, von rassistischen Faktoren und vielem mehr.
Auf Grund dieser
Situation bleiben Trans*personen aber nicht nur unsichtbar im Alltag, sondern
ihre Belange werden auch rechtlich und politisch selten wahrgenommen. Der
anstrengende Alltag macht politische Partizipation verständlicherweise schwer,
denn diese bedeutet so gut wie immer „sich zeigen“, „sich unangenehmen Fragen
zum Trans*-Sein aussetzen“ usw. Der Kampf für Sichtbarkeit wird jedoch nicht
nur durch die gesellschaftliche Situation außerhalb queerer Kreise erschwert,
sondern findet zu einem großen Teil auch darin statt.
Zu oft ist die „queere
Szene“ in Deutschland (also auch in deutschen Städten), besonders was die von
ihr ausgehenden Politiken angeht, stark geprägt von weißen, ablebodied,
schwulen cismännlichkeiten. In vielen Gremien und vermeidlich „queeren“
Vereinen (Vereine bilden die am häufigsten vorkommende Struktur der
Interessenvertretung „queerer“ Politiken) sind sie in der Mehrheit, werden
Frauen* und Inter*- und Trans*personen teilweise oder gänzlich ausgeschlossen,
ihre Belange heruntergespielt oder ohne jede Kompetenz und ohne jedes Recht
darauf vermeidlich vertreten. Der Begriff „queere Szene“ als solches muss deshalb
hinterfragt werden, beschreibt das Wort „Szene“ doch eher eine Gemeinschaft.
Für Trans*personen bedeutet die „queere Szene“ aber nur zu oft erneuten
Ausschluss. Denn die Lebenswelten und Diskriminierungen die Trans*personen
ausgesetzt sind basieren zunächst nicht auf sexueller Orientierung (es sei denn
die sexuelle Orientierung der Trans*person entspricht nicht der konstruierten
Heteronorm, dann liegen ineinander verwobene Diskriminierungsformen vor),
sondern auf dem binären Geschlechterkonstrukt, auf dem unsere Gesellschaft
fataler Weise fußt. Gerade deshalb können (weiße, ablebodied…) schwule Männer
am wenigsten Interessenvertreter für Trans* sein, denn auf Grund ihres
Geschlechts sind sie in der Gesellschaft privilegiert, anstatt dass sie
deswegen diskriminiert werden. Es nutzt auch nichts die, wegen der exklusiven
Organisationsstruktur von vielen „queeren“ Gruppen, Vereinen usw. gerne eingesetzte, sogenannte
„QuotenTrans*person“ als Entscheidungslegitimation! Niemals kann eine Person
für eine Masse an Menschen sprechen, niemals darf Trans* als Kollektivsubjekt
verwendet werden. Die Identitätenfrage (Was für eine Identität hat eine (Trans*)Person?)
kann immer nur im Einzelnen und von der Person selbst erschöpfend beantwortet
werden.
2) Falls du etwas dazu sagen kannst/magst: Erkennst du
Unterschiede in der Sichtbarkeit von Belangen von Non-Binarys zu anderen
nicht-Cis-Leuten?
Binäre
Geschlechternormen (vor allem im Rechtssystem und im Alltag) bringen
Trans*personen in die Lage, sich einem Geschlecht eindeutig zuordnen zu müssen.
Nicht-binäre Trans*personen sind also weder im Rechtssystem (Es gibt keinen 3.
Personenstand, nur eine Leerstelle für Inter*personen unmittelbar nach der
Geburt, worüber wiederum der_die Ärzt_in die fremdbestimmende Macht hat), noch
in den Köpfen der meisten Menschen überhaupt existent. Wenn etwas nicht
„gedacht“ werden kann, weil die Vorstellung daran nicht den gängigen Normen
folgt und keine Informationen dazu verbreitet werden, dann wird auch nicht
(politisch, sozial usw.) „daran gedacht“. So werden nicht_binäre
Trans*personen, nutrois, a-gender, zu oft auch Inter*personen und viele mehr,
weder in die Stadtplanung noch in politische, Freizeit-, soziale- und
kulturelle Aktivitäten mit einbezogen.
Nicht nur werden diese
Identitäten nicht mit-bedacht, sie werden so auch mundtot gemacht, sodass sich
ihre Situation noch langsamer als die von sich binär identifizierenden
Trans*personen, wenn überhaupt zum Besseren verändert. Dies soll keine Kluft
zwischen den beiden hier für die Verständlichkeit geschaffenen Kategorien
aufreißen, soll im Gegenteil damit gezeigt werden, dass die
Zweigeschlechtlichkeit der Feind beider Gruppen ist. Zwingt sie (die
Zweigeschlechtlichkeit) die eine Gruppe (nicht-binäre und weitere Identitäten),
Rollen anzunehmen, die mit der Identität unvereinbar sind, schafft sie für die
andere Gruppe oft Ideale, die Zwänge und weitere Diskriminierung bedeuten (z.
B. Alltagstest, Passingdruck usw.). Dass die Besserung der Situation für alle
Trans*personen nur stockend voranschreitet zeigen nicht nur Fakten auf
Bundesebene, wie, dass im TSG erst seit 2011 geschlechtsangleichende
Operationen nicht mehr Voraussetzung für die Namens- und Personenstandsänderung
sind. Auch geschlechtergetrennte öffentliche Toiletten, die selbst sich binär
identifizierenden Trans*personen ohne oder vor dem Passing Probleme bereiten,
ungeschulte Mitarbeitende von Ämtern und anderen städtischen Einrichtungen wie
Schulen, Kindergärten usw., die Nennung und Meinung von Frauen ohne Sternchen
(*) z. B. bei Frauenzentren, Frauenberatung usw., die Nicht-Nennung von
Personen, die ebenfalls fähig sind Kinder zu gebären, ohne Mütter zu sein, bei
z. B. Mutter-Kind-Einrichtungen, erschwerte Namensänderungen an Hochschulen, die
Nicht-Nennung in Bildungseinrichtungen (im Unterricht, in Seminaren) und und
und zeigen die Masse an Diskriminierung, die einzelnen Trans*personen täglich
entgegenschlägt.
- 45% der Trans*personen begehen deswegen Selbstmord
- Die Erfahrungen können sehr unterschiedlich sein, je nachdem von wie vielen verschiedenen Diskriminierungsformen Trans*personen betroffen sind.
- Keine cisperson kann verstehen wie es ist, dies täglich zu erleben und hätte deswegen einen Vertretungsanspruch!
- Trans*personen müssen und können sich (wegen der Erfahrung) oft nur selbst helfen, deswegen ist es so wichtig Peer*Support auszubauen und lokale Trans*Peerberatung zu stärken, sich gegenseitig zu unterstützen und keine Hierarchisierung innerhalb „queerer“ Spaces, aber auch keine innerhalb von „Trans*spaces“ (als leider verallgemeinende Bezeichnung) zu schaffen.
„This world was not set up for queer people, so we have to make
everything that we want to see in the world and everything that we need for
ourselves […] queer and trans*-identified people are really just artists and
inventors and scientists, poets [...] just by nature we create things, because
we are trying to create spaces […] in our life[s]. (Jacques LeFemme)”
("Diese Welt ist nicht für queere Menschen gemacht worden, deshalb müssen wir alles, was wir in der Welt sehen wollen und was wir brauchen selbst erschaffen. Sich queer und Trans* identifizierende Personen sind wirklich Künstler*innen und Erfinder*innen und Wissenschaftler*innen, Dichter*innen [...], so als wäre es für uns die natürlichste Sache, kreieren wir Dinge, weil wir versuchen Räume für uns zu schaffen [...] in unseren Leben")
Alles Liebe
Alles Liebe