Sonntag, 3. Januar 2016

Sichtbarkeit von Trans* in der Stadt/ der Gesellschaft

Hallo ihr Lieben <3

Heute beantworte ich zwei Fragen zur Sichtbarkeit von Trans* in der Stadt und generell in der Gesellschaft:


1) Wie schätzt du die Sichtbarkeit von Trans*-Menschen und ihrer Belange in der Stadt/den Städten, in denen du aktiv bist, ein? (In „queeren“ Szenen, im Alltag, in Medien und überhaupt)
Wie auch in den Medien (nett dazu ist auch: https://www.youtube.com/watch?v=Y37ZtwO3zBc&nohtml5=False) ist die Repräsentation von Trans*personen und ihren Belangen in Städten gering. Die allgemein praktizierte und normierte Zweigeschlechtlichkeit hält viele Trans*personen zu Hause, da ein Austreten aus dem Safespace „Wohnung“ alltägliche Diskriminierung bedeutet. Anstarren, unangenehme Fragen von Unbekannten gestellt bekommen, körperliche Gewalt erfahren, Benachteiligung bei der Jobsuche, rechtliche Benachteiligung und Diskriminierung sind nur einige der Dinge, welche die alltägliche Lebenssituation von Trans*personen ausmachen. Es ist egal in welcher Stadt sich eine Trans*person bewegt, überall dort wo Menschen in einer Gesellschaft zusammenkommen, in der zweigeschlechtliche Normen manifestiert sind, werden Trans*personen diskriminiert und/oder ausgestoßen. Natürlich gibt es liberalere Städte, in denen weniger rechtspopulistische Gruppierungen bestehen, ob eine Trans*person mehr oder weniger diskriminiert wird hängt aber von mehr Faktoren ab, wie z. B. auch der allgemeinen öffentlichen Präsenz „queerer“ Vereine, Gruppen usw., der kommunalen politischen Situation, der Wohnsituation, dem sozialen Status, von rassistischen Faktoren und vielem mehr.
Auf Grund dieser Situation bleiben Trans*personen aber nicht nur unsichtbar im Alltag, sondern ihre Belange werden auch rechtlich und politisch selten wahrgenommen. Der anstrengende Alltag macht politische Partizipation verständlicherweise schwer, denn diese bedeutet so gut wie immer „sich zeigen“, „sich unangenehmen Fragen zum Trans*-Sein aussetzen“ usw. Der Kampf für Sichtbarkeit wird jedoch nicht nur durch die gesellschaftliche Situation außerhalb queerer Kreise erschwert, sondern findet zu einem großen Teil auch darin statt.
Zu oft ist die „queere Szene“ in Deutschland (also auch in deutschen Städten), besonders was die von ihr ausgehenden Politiken angeht, stark geprägt von weißen, ablebodied, schwulen cismännlichkeiten. In vielen Gremien und vermeidlich „queeren“ Vereinen (Vereine bilden die am häufigsten vorkommende Struktur der Interessenvertretung „queerer“ Politiken) sind sie in der Mehrheit, werden Frauen* und Inter*- und Trans*personen teilweise oder gänzlich ausgeschlossen, ihre Belange heruntergespielt oder ohne jede Kompetenz und ohne jedes Recht darauf vermeidlich vertreten. Der Begriff „queere Szene“ als solches muss deshalb hinterfragt werden, beschreibt das Wort „Szene“ doch eher eine Gemeinschaft. Für Trans*personen bedeutet die „queere Szene“ aber nur zu oft erneuten Ausschluss. Denn die Lebenswelten und Diskriminierungen die Trans*personen ausgesetzt sind basieren zunächst nicht auf sexueller Orientierung (es sei denn die sexuelle Orientierung der Trans*person entspricht nicht der konstruierten Heteronorm, dann liegen ineinander verwobene Diskriminierungsformen vor), sondern auf dem binären Geschlechterkonstrukt, auf dem unsere Gesellschaft fataler Weise fußt. Gerade deshalb können (weiße, ablebodied…) schwule Männer am wenigsten Interessenvertreter für Trans* sein, denn auf Grund ihres Geschlechts sind sie in der Gesellschaft privilegiert, anstatt dass sie deswegen diskriminiert werden. Es nutzt auch nichts die, wegen der exklusiven Organisationsstruktur von vielen „queeren“ Gruppen, Vereinen usw.  gerne eingesetzte, sogenannte „QuotenTrans*person“ als Entscheidungslegitimation! Niemals kann eine Person für eine Masse an Menschen sprechen, niemals darf Trans* als Kollektivsubjekt verwendet werden. Die Identitätenfrage (Was für eine Identität hat eine (Trans*)Person?) kann immer nur im Einzelnen und von der Person selbst erschöpfend beantwortet werden.

2) Falls du etwas dazu sagen kannst/magst: Erkennst du Unterschiede in der Sichtbarkeit von Belangen von Non-Binarys zu anderen nicht-Cis-Leuten?
Binäre Geschlechternormen (vor allem im Rechtssystem und im Alltag) bringen Trans*personen in die Lage, sich einem Geschlecht eindeutig zuordnen zu müssen. Nicht-binäre Trans*personen sind also weder im Rechtssystem (Es gibt keinen 3. Personenstand, nur eine Leerstelle für Inter*personen unmittelbar nach der Geburt, worüber wiederum der_die Ärzt_in die fremdbestimmende Macht hat), noch in den Köpfen der meisten Menschen überhaupt existent. Wenn etwas nicht „gedacht“ werden kann, weil die Vorstellung daran nicht den gängigen Normen folgt und keine Informationen dazu verbreitet werden, dann wird auch nicht (politisch, sozial usw.) „daran gedacht“. So werden nicht_binäre Trans*personen, nutrois, a-gender, zu oft auch Inter*personen und viele mehr, weder in die Stadtplanung noch in politische, Freizeit-, soziale- und kulturelle Aktivitäten mit einbezogen.
Nicht nur werden diese Identitäten nicht mit-bedacht, sie werden so auch mundtot gemacht, sodass sich ihre Situation noch langsamer als die von sich binär identifizierenden Trans*personen, wenn überhaupt zum Besseren verändert. Dies soll keine Kluft zwischen den beiden hier für die Verständlichkeit geschaffenen Kategorien aufreißen, soll im Gegenteil damit gezeigt werden, dass die Zweigeschlechtlichkeit der Feind beider Gruppen ist. Zwingt sie (die Zweigeschlechtlichkeit) die eine Gruppe (nicht-binäre und weitere Identitäten), Rollen anzunehmen, die mit der Identität unvereinbar sind, schafft sie für die andere Gruppe oft Ideale, die Zwänge und weitere Diskriminierung bedeuten (z. B. Alltagstest, Passingdruck usw.). Dass die Besserung der Situation für alle Trans*personen nur stockend voranschreitet zeigen nicht nur Fakten auf Bundesebene, wie, dass im TSG erst seit 2011 geschlechtsangleichende Operationen nicht mehr Voraussetzung für die Namens- und Personenstandsänderung sind. Auch geschlechtergetrennte öffentliche Toiletten, die selbst sich binär identifizierenden Trans*personen ohne oder vor dem Passing Probleme bereiten, ungeschulte Mitarbeitende von Ämtern und anderen städtischen Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten usw., die Nennung und Meinung von Frauen ohne Sternchen (*) z. B. bei Frauenzentren, Frauenberatung usw., die Nicht-Nennung von Personen, die ebenfalls fähig sind Kinder zu gebären, ohne Mütter zu sein, bei z. B. Mutter-Kind-Einrichtungen, erschwerte Namensänderungen an Hochschulen, die Nicht-Nennung in Bildungseinrichtungen (im Unterricht, in Seminaren) und und und zeigen die Masse an Diskriminierung, die einzelnen Trans*personen täglich entgegenschlägt.
  • 45% der Trans*personen begehen deswegen Selbstmord
  • Die Erfahrungen können sehr unterschiedlich sein, je nachdem von wie vielen verschiedenen Diskriminierungsformen Trans*personen betroffen sind.
  • Keine cisperson kann verstehen wie es ist, dies täglich zu erleben und hätte deswegen einen Vertretungsanspruch!
  • Trans*personen müssen und können sich (wegen der Erfahrung) oft nur selbst helfen, deswegen ist es so wichtig Peer*Support auszubauen und lokale Trans*Peerberatung zu stärken, sich gegenseitig zu unterstützen und keine Hierarchisierung innerhalb „queerer“ Spaces, aber auch keine innerhalb von „Trans*spaces“ (als leider verallgemeinende Bezeichnung) zu schaffen.
„This world was not set up for queer people, so we have to make everything that we want to see in the world and everything that we need for ourselves […] queer and trans*-identified people are really just artists and inventors and scientists, poets [...] just by nature we create things, because we are trying to create spaces […] in our life[s]. (Jacques LeFemme)”

("Diese Welt ist nicht für queere Menschen gemacht worden, deshalb müssen wir alles, was wir in der Welt sehen wollen und was wir brauchen selbst erschaffen. Sich queer und Trans* identifizierende Personen sind wirklich Künstler*innen und Erfinder*innen und Wissenschaftler*innen, Dichter*innen [...], so als wäre es für uns die natürlichste Sache, kreieren wir Dinge, weil wir versuchen Räume für uns zu schaffen [...] in unseren Leben")

Alles Liebe

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen